Hauptausgabe vom 28.06.2001 - Seite 021
Nach Chemie-Brand: Kaum

Chance für Firmenabsiedlung

VON MARTIN ROHRHOFER

TRAUN/LINZ. Für eine Absiedlung des Chemikalien-Großhändles Neuber in Traun und des angrenzenden Flaga-Gaslagers sieht es auch nach dem spektakulären Chemie-Großbrand am Dienstag schwarz aus: Die Anrainer werden mit den alten Planungsfehlern leben müssen.

Auch wenn Neuber-Geschäftsführer Helmut Struger beteuert, dass für die Sicherheit alles nur Erdenkliche getan wird - beispielsweise wird jeder Mitarbeiter vier Mal pro Jahr intensiv geschult -, bliebe ein kleines Restrisiko. Und das traf offenbar am Dienstag zu, als das Lösungsmittellager in Flammen aufging und der Arbeiter Harald Opresnigg (43) lebensgefährliche Verbrennungen von 96 Prozent seiner Haut davontrug. Sein Zustand ist weiter extrem kritisch.

Über die Ursache für den Brand, dessen Schaden auf mindestens 50 Millionen S geschätzt wird, herrscht noch Rätselraten: Eine nicht vorhersehbare elektrostatische Aufladung der gelagerten Lösungsmittel - Benzol war nicht vorhanden - könne bei der Brandauslösung genauso eine Rolle gespielt haben wie Beton-Schremmarbeiten durch eine Fremdfirma bei einem der unterirdischen Tanks.

Die 3000 verunsicherten Neuber-Kunden kann Struger beruhigen: "Wir werden alles versuchen, mit den beiden anderen Standorten in Österreich allen Lieferverpflichtungen nachzukommen."

An ein Verlassen des Standorts Traun denkt er nicht. Der mit Gütesiegel ausgezeichnete Betrieb sei erst vor wenigen Jahren mit erheblichen Investitionen generalsaniert worden. Eine Absiedlung koste 120 Millionen S. Und eine zwangsweise Absiedlung sei nicht drinnen, weil sich die EU nicht darüber auslasse, wer für die Kosten aufkommen müsse, erklärt Karl Wögerbauer, Baurechts-Chef des Landes: "Deswegen macht es auch keinen Sinn, das Gebiet als Wohngebiet oder gemischtes Baugebiet mit umweltfreundlicher Nutzung umzuwidmen." Als einzige Chance sieht Wögerbauer, die Gefahren durch verschärfte Auflagen zu minimieren. Im neuen Flächenwidmungsplan ist immerhin eine 30-Meter-Schutzzone rund um Neuber und Flaga eingezeichnet.

Für die betroffene Bevölkerung nur ein schwacher Trost: Laut einem unabhängigen Gutachten über das Gefährdungspotenzial der vier oberirdischen Flaga-Gaslagertanks mit zusammen 115.000 Kilo Propangas in unmittelbarer Nachbarschaft zu Neuber würden bei einer Explosion alle Menschen in einem Umkreis von 450 Metern getötet und Gebäude in Brand gesetzt. Durch den Trümmerflug würden 30-Zentimeter-Ziegelmauern noch in 750 Metern Entfernung vollständig durchschlagen werden.


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