Hauptausgabe vom 27.06.2001 - Seite 015
Chemielager neben Wohngebiet in Linz

in Flammen: Arbeiter als lebende Fackel

VON MARTIN ROHRHOFER (TEXT)

UND W. WASSERMANN (FOTOS)

TRAUN/LINZ. Eine Hunderte Meter hohe schwarze Rauchsäule stand gestern über dem Linzer Stadtteil Neue Heimat: Das Lösemittellager des Chemikaliengroßhändlers Neuber an der Stadtgrenze zu Traun - unweit eines Wohngebiets - war in Vollbrand.

Kurz nach 10 Uhr schlugen bei der Firma Neuber in Traun die Brandmelder an, Sirenen gingen los. Kurz darauf qualmte es bereits weithin sichtbar aus der 1200 Quadratmeter großen Lösungsmittelhalle, in der bei zwei automatischen Abfüllanlagen Lösemittel wie Benzin, Petroleum, Alkohol, Acetate, Spiritus, Benzol, Aromate und andere leicht brennbare Lösungsmittel aus insgesamt 14 unterirdischen Tanks zu je 60.000 Liter abgefüllt werden.

Harald Opresnigg (43) aus Linz war gerade mit der Abfüllung von Aceton, wie es beispielsweise für Nagellackentferner verwendet wird, beschäftigt, als es aus noch unbekannter Ursache zur Katastrophe kam. Dass der 43-Jährige geraucht haben könnte, will niemand annehmen. Ein Leasingarbeiter, der etwa 15 Meter von Opresnigg entfernt stand, sah es jedenfalls plötzlich nur noch brennen. Gemeinsam mit einem Arbeitskollegen zerrte er den 43-Jährigen, der von einer gewaltigen Stichflamme getroffen zusammengesackt war, aus dem Feuer und löschte seine Kleidung.

Zur gleichen Zeit rückte rund ein Dutzend Feuerwehren aus dem Großraum Linz mit mehr als 150 Mann in die Rubensstraße hinter dem Maxi-Markt aus. Für den gefährlichen Chemiebrand - keine 80 Meter neben dem nur mit Maschendrahtzaun abgegrenzten großen Flüssiggas-Lager der Firma Flaga - wurde Alarmstufe 2 gegeben.

"Bei unserem Eintreffen stand die Halle bereits in Vollbrand, Flammen schlugen aus dem Dach", schildert Christian Puchner von der Linzer Berufsfeuerwehr, "wir haben mit Schaum, Pulver und Wasser gelöscht." Für die Bevölkerung habe keine unmittelbare Gefahr bestanden. Lösungsmittel seien zwar leicht entflammbar, was in die Luft geht, sei aber bloß gewöhnlicher Brandrauch, erläutert der Feuerwehr-Chemiker.

Sorgen bereiteten den Einsatzkräften lediglich mehrere mit Schwefelsäure gefüllte Tanks in einem angrenzenden Gebäudekomplex sowie ein mit instabilem Wasserstoff-Peroxyd gefüllter Waggon in unmittelbarer Brandnähe. Beides konnte gerettet werden. Gegen Mittag kam das erlösende "Brand aus". Der Schaden wird auf einen zweistelligen Millionenbetrag geschätzt.


© Alle Rechte vorbehalten. Nutzung ausschließlich für den privaten Eigenbedarf.